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Was ist denn Behavioral Finance – und was nützt mir das als Kleinanleger?

So wie sich unser Lebensumfeld immer weiter entwickelt und verändert, verändert sich auch die Wisschenschaft laufend: es werden immer neue Forschungsgebiete und -disziplinen geschaffen und alte ständig erweitert. Eines dieser neuen Forschungsdiszplinen ist die Behavioral Finance. Nicht nur dass sie an sich ein sehr spannendes Forschungsgebiet ist, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse können auch speziell für Kleinanleger sehr nützlich sein. Wir stellen Ihnen in unserem Beitrag diese neue Wissenschaft und ihre Erkenntnisse einmal vor. 

Womit beschäftigt sich die Behavioral Finance?

Die Behavioral Finance – im Deutschen etwas unglücklich als “Verhaltensökonomik” übersetzt – ist eine Wissenschaftsdisziplin, die sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen beschäftigt, wenn sie Finanzentscheidungen treffen müssen. 

In früheren Zeiten galt der Grundsatz, dass Menschen sich ganz einfach immer als “Reichtums-Maximierer” verhalten. Ein weniger schönes, aber ebenso zutreffendes Wort dafür wäre “gierig”. Das war leicht eingängig und schien als Theorie und als Erklärung für das Verhalten von Menschen vollauf zu genügen. 

Sieht man aber genauer hin und analysiert man Finanzentscheidungen von Menschen im Detail – auch das Verhalten von Menschen in Anlage-Situationen – erkennt man, dass man häufig mit dieser simplen Erklärung nicht weiterkommt. Das Verhalten von Menschen ist bei genauer Analyse oft widersprüchlich, destruktiv und nicht selten höchst irrational. Und vor allem: es ist im Einzelfall in mehr als nur einer Situation völlig unvorhersehbar. 

Die Behavioral Finance (wir können mit dem Begriff “Verhaltensökonomik” bis heute nicht so recht warm werden) versucht daher, aktuelle psychologische Theorien der kognitiven Psychologie und der Verhaltenspsychologie auf Situationen der Wirtschaft und den Finanzbereich anzuwenden und dabei Erklärungsmuster zu finden, zu welche Zeiten, bei welchen Gegebenheiten und aus welchen Gründen Menschen irrationale Finanzentscheidungen treffen. Das macht nicht nur Verhalten von Menschen besser verstehbar und erklärbar, sondern schließt auch die Lücken, wo konventionelle Finanzmodelle und -theorien einfach nicht funktionieren – obwohl sie das gerade sollten. 

Was nützt mir das als Kleinanleger?

Unserer Meinung nach sind die Erkenntnisse der Behavioral Finance gerade für Kleinanleger besonders wertvoll. Aus einem ganz bestimmten Grund: Als Kleinanleger treffen Sie alle Ihre Anlageentscheidungen völlig allein und meist relativ unbeeinflusst von irgendeinem Druck (bei einem Fondsmanager sieht das schon anders aus, der muss in gewisser Weise auch immer dem Druck gerecht werden, den die oft irrational denkende Masse der Anleger auf das Fondsunternehmen ausübt). 

Wenn Sie Ihre Entscheidungen für sich allein treffen, haben Sie immer die Möglichkeit, Ihre gerade getroffene Entscheidung auch noch einmal in Ruhe und für sich zu hinterfragen. 

Die Erkenntnisse der Behavioral Finance geben Ihnen dann wertvolle Anhaltspunkte, wann und wo eine Entscheidung möglicherweise irrational sein könnte – selbst wenn sie gerade recht folgerichtig und logisch erscheint. Wenn Sie die Fallen und Stolperstricke kennen, haben Sie die Möglichkeit genau diese Fallen und Stolperstricke zu umgehen. Sie lernen dadurch bessere Entscheidungen zu treffen, die wirklich rational und zweckdienlich sind – und dadurch solidere und höhere Gewinne mit ihren Anlagen zu erzielen. 

Aus diesem Grund werden wir Ihnen in den nächsten Beiträgen immer wieder einzelne Theorien und Erkenntnisse aus der Behavioral Finance vorstellen und die zugrunde liegenden Verhaltensmuster erklären, damit Sie sie besser verstehen können. Beginnen werden wir dabei mit dem Dispositionseffekt – einer Theorie, die jeder Anleger unbedingt verstehen sollte, weil sie wohl das häufigste Grundmuster überhaupt für irrationale Finanzentscheidungen darstellt. 

Eine Studie hat übrigens gezeigt, dass ein Großteil der etwas älteren und engagierten Kleinanleger bereits von sich aus häufig sichtbar bessere Ergebnisse erzielen als sogar professionelle Fondsmanager. Das liegt daran, dass sie sich intensiv mit ihrer Geldanlage beschäftigen, ihre Entsdcheidungen sorgfältig abwägen und selten übereilt oder impulsiv handeln. Damit finden wir es umso mehr sinnvoll, hier noch zusätzlich weiteres Wissen zu vermitteln, damit auch die wenigen Fehlentscheidungen oder irrationalen Annahmen unterbleiben können, weil man ihnen ausweichen kann. 

Grundlegende Konzepte der Behavioral Finance im Überblick

Der “Homo Oeconomicus”, also der wirtschaftlich agierende Mensch, ist kein rationales Wesen – auch wenn verschiedene Wirtschaftstheorien und Konzepte – darunter die Effizienzmarkthypothese oder die CAPM – davon grundlegend ausgehen. Interessanterweise funktionieren diese Theorien sogar in überraschend vielen Fällen und sagen Ergebnisse und Ereignisse sogar recht häufig gut zutreffend voraus. In anderen Fällen versagen sie jedoch völlig. 

Wenn wir an irrationales Verhalten im Finanzbereich denken, sehen wir als erstes beispielsweise die zahlreichen Menschen, die regelmäßig Lotto spielen, um irgendwann einmal den Jackpot zu knacken. Eigentlich ist dieses Verhalten angesichts der tatsächlichen Gewinnchancen von eins zu mehreren Millionen völlig irrational. Betrachtet man das investierte Geld und das erzielte Ergebnis einmal mit dem mathematischen Auge, ergibt sich eine erbärmliche Rendite. Selbst das lausigste Eckzinssparbuch würde – auf einige Jahre hochgerechnet – einen Gewinn für die Investition bringen, der im Vergleich zum Lotto beinahe wie ein Mini-Jackpot aussieht.

Ins Kasino gehen weniger Menschen, und hier ist die Gewinnsituation wohl schon etwas komplexer – aber eine simple Beobachtung eines Spiels und ein paar einfache stochastische Berechnungen später würde man sehr deutlich erkennen, dass man am letzten Ende niemals reich bei der Tür hinausgehen wird. 

Angesichts solcher brutaler finanzieller Fehlentscheidungen von solchen Mengen von Menschen wird eines klar: rational handeln wir beileibe nicht immer. 

Noch deutlicher zeigt das ein Experiment, das mehrfach mit Studenten der Wirtschaftswissenschaften (die es eigentlich wissen sollten) wiederholt wurde. Die Studenten sollten in einem sehr einfachen Setting mit lediglich einem Wert traden. Das Ergebnis war in jedem Fall das Gleiche: es entstand immer, ausnahmslos, eine riesige Blase, bei der der zugrunde gelegte Basiswert zu enorm überhöhten Werten gehandelt wurde. Selbst das grundsätzliche Wissen der Studenten über einen solchen Mechanismus konnte das Entstehen der Blase nie verhindern. 

Hier kann man klar erkennen, dass die von den meisten Theorien vorausgesetzte, natürliche Gier-Haltung (“Reichtums-Maximierung”) nur bis zu einem gewissen Grad tatsächlich Reichtum mehrt. Ab einer bestimmten Grenze wird die Gier schädlich und zum Bumerang, der einem dann plötzlich nur noch massive Verluste beschert. 

Die innere Haltung der Studenten war aber während der ganzen Zeit – egal wie hoch der Wert bereits gehandelt wurde – dass es immer noch wenigstens einen geben muss, der noch mehr bereit ist zu zahlen, und man immer noch Gewinn machen kann. Bleibt dieser Jemand dann aus, hat man ein Problem und die eigene “Reichtums-Maximierungs-Strategie” wird plötzlich zu einem enormen Verlustfaktor. Keiner der Studenten war aber in keinem dieser Experimente in der Lage, diese Grenze zu bestimmen. 

Ohne die Behavioral Finance wüssten wir nicht, dass wir hier als Menschen eine ausgeprägte Schwäche haben, die uns unter Umständen teuer zu stehen kommen kann und der wir jedes Mal durch sorgsames und rationelles Abwägen begegnen müssen. Ansonsten kann der Schaden für uns groß werden – auch bei Anlagen, wenn wir beispielsweise Papiere zu teuer und deutlich über Wert kaufen. 

Lerne dich kennen und treffe bessere und rationalere Entscheidungen

Gerade als Kleinanleger haben wir die Möglichkeit, über unsere Entscheidungen ausreichend lange und sorgfältig nachzudenken. Wir finden, diese Chance sollte man nutzen und so viel wie nur möglich über sich selbst lernen, um die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen und irrationale Fehlentscheidungen zu vermeiden. Die Erkenntnisse der Behavioral Finance können einem ganz wesentlich dabei helfen. 

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