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Selbsterkenntnis: Welcher Anlegertyp sind Sie?

Kategorisierungen sind nicht neu – auch nicht in der Finanzberatung. Vor jeder erfolgreichen Beratung versuchen seriöse Experten immer zunächst einmal herauszufinden, wo jemand finanziell steht, welche Anlageziele er insgesamt hat und wie viel Risiko er sich vernünftigerweise leisten kann. Ohne so etwas kann man kaum jemanden erfolgreich beraten. Wenn wir allein anlegen, sind diese Dinge natürlich ebenso wichtig. Was allerdings oft unterschätzt wird, ist unsere psychologische Natur beim Anlegen. Über die können wir oft schnell einmal stolpern – und dann Verluste erleiden, einfach weil wir uns selbst nicht gut genug kennen. Thorsten Hens, Wirtschaftsprofessor an der Uni Zürich, will das ändern. Und seine Anleger-Typologie, die auch für Privatanleger gilt, lohnt sich wirklich einmal anzusehen – und sich selbst einmal kritisch einzuordnen.

Nicht alles ist für jeden geeignet

Auch das ist schon längst eine alte Weisheit – die allerdings nicht jeder immer beherzigt. Bei Empfehlungen fokussiert man sich letzten Endes dennoch immer mehr auf die Produkte selbst, als auf denjenigen, der letztendlich dann investieren soll. Es ist ein bisschen, wie einem schwer esssüchtigen Menschen eine intermittierende Diät zu empfehlen, bei der er jeden zweiten Tag gar nichts essen darf. Das Ganze mag zur Gewichtsabnahme durchaus funktionieren – nur ist das für gerade solch einen Menschen ganz einfach nicht durchhaltbar.

Genau den selben Fehler machen auch viele Kleinanleger sehr häufig.  Indem sie sich Anlagen oder Anlagestrategien “verordnen”, die entweder gerade als enorm gewinnbringend gehyped werden oder die zumindest in der Theorie recht gut aussehen. Sich aber auch mit der Frage zu beschäftigen, ob man selbst und persönlich für eine solche Strategie überhaupt geeignet ist, wird oft ausgelassen. Dabei ist gerade das für den Erfolg häufig unabdingbar: Sich selbst, seine Fähigkeiten und die Art seines Handelns realistisch einzuschätzen. Dann zeigt sich, welche Strategien man tatsächlich in der Lage ist umzusetzen – und welche nicht.

Professor Hens ganz einfache Typologie des Anlegers

Die Anleger-Typologie, die Professor Hens entwickelt hat, ist äußerst einfach gehalten – dennoch kann sie einige durchschlagende Erkenntnisse bringen, wenn man sich ein wenig mit ihr beschäftigt.

Der Wirtschaftsprofessor setzt dabei nur zwei Dinge in Beziehung zueinander: das vorhandene Wissen über den Finanzmarkt und die Emotionalität der Person.

Trägt man das in eine Matrix ein, ergeben sich genau vier Felder mit jeweils unterschiedlichen Kombinationen aus den beiden Dingen:

hohes Finanzwissen — niedrige Emotionalität | Typ A
niedriges Finanzwissen — niedrige Emotionalität | Typ B

hohes Finanzwissen — hohe Emotionalität | Typ C
niedriges Finanzwissen — hohe Emotionalität | Typ D

Wenn Sie sich das Raster ansehen – wo würden Sie sich selbst einordnen? Welcher Typ Anleger sind sie? Welcher Typ von Anleger ist Ihrer Meinung nach am Ende am erfolgreichsten?

Genau, wie Sie vermutet haben, ist das Typ A. Mit Emotionalität und emotionalen Reaktionen tun wir uns keinen Gefallen, mit nicht vorhandenem Wissen auch nicht. Wenn es um Geld geht, kann man nur absolut nüchtern und rational agieren. Geld selbst und Anlage ist auch rational, einfache Zahlen. Selbst wenn die Börse das manchmal nicht ist. Nur der Rationale wird aber nüchtern einschätzen können, wo andere irrational oder emotional reagieren – und sich Gedanken darüber machen können, warum das so ist und irrationales Verhalten möglicherweise manchmal vorhersehen können. Wer selbst stark emotional zu reagieren pflegt, hat die dafür nötige kritische Distanz oft nicht.

Wer nicht besonders viel Finanzwissen hat und sich das auch eingesteht und gleichzeitig meist nüchtern und rational zu reagieren und zu denken pflegt, also Typ B nach Professor Hens, hat dennoch gute Chancen, ein recht erfolgreicher Anleger zu werden – wenn er sein fehlendes Finanzwissen auf irgendeine Weise kompensiert. Das kann zum einen durch entsprechende Bildung und das Aneignen von Wissen geschehen, das macht den Typ B dann irgendwann zum Typ A. Neben diesem “Königsweg” kann man natürlich auch profunde, vertrauenswürdige Beratung suchen oder sich anderweitig Kompensation für das eigene fehlende Wissen beschaffen – sei es beim Robo-Investing oder beim Social Investing.

Typ C gilt für Professor Hens bereits als “Problem-Typus”. Hohes vorhandenes Finanzwissen paart sich hier mit übergroßer Emotionalität – und das wird zum Problem. Zwar weiß man theoretisch sehr gut, wie die Märkte und die Börse funktionieren, bringt ein großes theoretisches Faktenwissen mit – reagiert dann am Ende aber dennoch emotional. Vielfach sind das Menschen, die wider besseren Wissens nach einer “Patentformel” suchen, alles immer noch weiter optimieren wollen und immer noch mehr aus der Anlage “herauskitzeln” wollen, weil sie gerade wieder eine Theorie über irgendwelche Zusammenhänge im Kopf haben, die in Wirklichkeit einfach nicht existieren, sondern bloßer Zufall sind. Es scheint fast, als hätten diese Menschen beinahe zu viel Wissen – so viele Fakten und Details im Kopf, dass sie darüber manchmal ein wenig den Boden unter den Füßen verlieren.

Der größte “Problem-Typus” sind nach Professor Hens allerdings die Menschen, die zum Typ D gehören. Während man in der Gruppe der C-Typen nur eine vergleichsweise kleine Anzahl von Menschen findet, macht nach den Erkenntnissen des Professors die Typ-D-Kategorie beinahe 75 % aller Anleger aus, die er in seiner Studie untersucht hat.

Hier wird mit viel Einsatz und Leidenschaft riskant investiert, das eigene Wissen wird daneben vielfach deutlich überschätzt, jeder Erfolg ist der eigene Erfolg – und nicht etwa einfach ein guter Kursverlauf an der Börse.

In dieser Gruppe finden sich nicht nur Anleger, die in äußerst riskante Dinge investieren – fest überzeugt von der eigenen Überlegenheit, ihrer unfehlbaren Intuition und ihrem unnachahmlichen “Riecher”. In diese Gruppe fallen auch alle jene, die bei Krisen sofort alle Papiere auf den Markt werfen und in blinder Panik einfach überreagieren (häufig ohne sich das eingestehen zu wollen) und in kurzfristigen Boomzeiten sofort kaufen, was das Zeug hält. Sie reagieren einfach überemotional – und verlieren dabei jegliche kritische Distanz zu dem, was sie gerade tun. Nachgedacht wird später – vielleicht – zuerst wird einmal reagiert. Und wenn man alle paar Jahre einmal etwas völlig Neues versucht und die alten Strategien einmal komplett auf den Kopf stellt, ist das kein Beinbruch.

Überlegungen zur Typologie von Professor Hens

So einfach die Typologie auf den ersten Blick auch scheinen mag – irgendwie ist sie dennoch stichhaltig. Sie beschreibt Menschen sehr klar und es fällt eigentlich auch nicht schwer, Menschen, die wir kennen, in eine dieser Gruppen einzuordnen. Es ist irgendwie einleuchtend.

Was auffällt ist, dass Professor Hens “Emotionalität”, wie er sie versteht, also das Fehlen einer kritischen Distanz, von Bedächtigkeit und Unbeirrbarkeit, bei seinen Strategien zu bleiben, als das größte Problem ansieht – und gleichzeitig der Mehrzahl von Anlegern genau das Vorhandensein dieses Problems zuschreibt. Wenn man darüber nachdenkt, mag das vielleicht sogar tatsächlich stimmen. Kurzfristige, unüberlegte Aktionen, Panik, derer man einfach nicht mehr Herr wird, oder ein viel zu großer Glaube an die eigene “Intuition” sind es tatsächlich, die vielfach enormen Schaden an der eigenen Anlage anrichten.

Die Frage, die sich stellt, ist allerdings, was man tun sollte, wenn man sich selbst einmal ehrlicherweise richtig eingeordnet hat. Der beste Ratschlag ist wahrscheinlich, Anlagen und Strategien grundsätzlich zu meiden, für die man die erforderlichen Fähigkeiten und die erforderliche emotionale Stabilität und Rationalität nicht mitbringt. Natürlich kann man in beiden Bereichen an sich arbeiten – das würde sich sogar lohnen, auch für das übrige Leben. Bis man in diesen Bereichen allerdings einen echten Wandel herbeigeführt hat, sollte man eher der alten Typologie als Leitlinie vertrauen.

Der wichtigste Punkt bei alledem: Wir müssen wirklich ehrlich zu uns selbst sein, was unser Anlageverhalten betrifft.

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