Behavioral Finance: Der Hyperbolic Discounting Effekt

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Behavioral Finance: Der Hyperbolic Discounting Effekt

Behavioral Finance ist auf das Verhalten von Anlegern und Investoren angewandte Psychologie – die noch recht junge Wissenschaft zeigt uns klar, welche Irrtümer und psychologisch bedingten Fehleinschätzungen uns immer wieder zu irrationalen Finanzentscheidungen bringen. In unserer Beitragsserie wollen wir deshalb die wichtigsten psychologischen Effekte beleuchten, die uns zu schlechten Entscheidungen führen können. So kommt man sich selbst auf die Schliche – und vermeidet häufige Fallen, in die andere sonst tappen. In diesem Beitrag wollen wir uns einmal mit dem Hyperbolic Discounting Effekt auseinandersetzen – dieser Effekt ist in sehr vielen Bereichen wirksam und kann sehr nachteilige Folgen haben.

Wie der Hyperbolic Discounting Effekt funktioniert

Wie so viele Fachbegriffe aus dem Englischen ist der Begriff “Hyperbolic Discounting” in seiner deutschen Übersetzung fast schon unaussprechlich – und wenig erhellend: “zeitinkonsistente Diskontierung”.

Was sich hinter diesem psychologischen Effekt und dem Wortungetüm verbirgt, lässt sich allerdings recht leicht erklären. Wir bewerten subjektiv Beträge und Gewinne, die in zeitlicher Nähe zu uns liegen grundsätzlich anders als solche, die in größerer zeitlicher Entfernung liegen. Sprich: 50 Euro sofort erscheinen uns deutlich mehr als 100 EUR in einem Jahr.

Diesen Effekt wird jeder von sich kennen. Wenn wir vor die Wahl gestellt werden, 50 Euro jetzt zu bekommen oder 100 Euro in einem Jahr, werden die allermeisten bei den 50 Euro zuschlagen. Immerhin ist einem die Hose näher als der Rock und der Spatz in der Hand wertvoller als die Taube auf dem Dach. Und zwar unabhängig davon, ob wir die 50 Euro gerade dringend brauchen oder nicht.

Dass das nicht ganz rational ist, leuchtet jedem wahrscheinlich ein.100 Euro bedeuten 100 % mehr Gewinn, aus der Wartezeit von einem Jahr entsteht uns kein realistisch zu erwartender Schaden. Dennoch reagieren wir so.

Das ist der einfache Teil des Effekts. Der komplizierte Teil beginnt, wenn man Menschen vor die Wahl stellt, entweder 50 Euro in 5 Jahren oder 100 Euro in 6 Jahren zu bekommen. Hier fällt das Ergebnis plötzlich anders aus: bei den allermeisten würde die Wahl nun völlig klar auf die längere Wartezeit und die 100 Euro Gewinn fallen.

Sobald also ein gewisser zeitlicher Abstand vorliegt, beginnen wir anscheinend wieder rational zu denken. Nur zeitliche Nähe bringt unsere Fähigkeit, Beträge auch subjektiv richtig einzuschätzen, völlig durcheinander.

Wissenschaftler haben sich die Arbeit gemacht herauszufinden, in welchen zeitlichen Abständen die subjektive Wahrnehmung sich wieder rationalisiert. Das Ergebnis ist äußerst interessant: unsere verzerrte Wahrnehmung steht in keinem linearen Verhältnis zum zeitlichen Abstand, der zu dem Betrag besteht, das heißt, wir schätzen Beträge nicht kontinuierlich immer schlechter ein, je näher sie uns sind.

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Wenn man das Ergebnis grafisch darstellt, ergibt sich vielmehr eine Hyperbelform: der höchste Punkt liegt im unmittelbaren “Jetzt”, danach fällt die Kurve relativ steil ab – schon eine geringe zeitliche Distanz lässt Beträge in unserem Kopf also subjektiv viel unbedeutender werden, als wenn wir sie gleich jetzt bekommen würden.

Daraus erklärt sich auch die englische Bezeichnung des Effekts: “Hyperbolic” wegen der Hyperbelform der Kurve und “Discounting” weil wir Beträge quasi innerlich “abwerten” – sie erscheinen uns nicht mehr ganz so groß, wie sie eigentlich realistischerweise sind.

Was fängt man mit dieser Erkenntnis an?

Der Hyperbolic Discounting Effekt beeinflusst uns in unglaublich vielen Situationen – in den meisten Fällen bemerken wir gar nicht, dass wir eigentlich völlig irrational denken.

Ein Beispiel aus dem wahren Leben: Sie überlegen, für einen ETF-Sparplan wöchentlich 25 Euro zurückzulegen, was in der Summe 100 Euro monatlich ausmacht. Dafür können Sie nach 10 Jahren aufgrund der durchschnittlichen vergangenen Performance des Index gut und gerne mit 15.000 Euro rechnen.

25 Euro pro Woche erscheinen für viele durchaus ein übermäßig hoher Betrag, 100 Euro im Monat kann man meist schon leichter betrachten. Die 15.000 Euro nach 10 Jahren werden kaum jemand zu Begeisterungsstürmen hinreissen.

Das ist natürlich höchst irrational: 25 Euro wöchentlich und 100 Euro monatlich sind exakt der gleiche Betrag – und 15.000 Euro sind, unabhängig von der persönlichen Einschätzung, durchaus ein respektabler Betrag, vor allem angesichts der vergleichsweise geringen monatlichen Einzahlung. Immerhin hätte man in dieser Zeit über 3.000 Euro Zinsen praktisch geschenkt bekommen. Was wäre, wenn Ihnen jetzt sofort oder noch diese Woche jemand 3.000 Euro schenken würde?

Genau hier kommt man dann der eigenen Irrationalität tatsächlich auf die Schliche. Der Hyperbolic Discounting Effekt ist also auch mit der Grund dafür, warum es uns so schwer fällt, Geld zu sparen und vor allem langfristig zu denken. Hohe Beträge, die “weit weg” von uns sind, erscheinen uns nicht besonders wertvoll, die wöchentlichen Ausgaben von 25 Euro erscheinen uns dagegen übermäßig hoch.

Man findet diesen Effekt in vielen Bereichen, ohne dass es einem bewusst ist. So kaufen die meisten Raucher beispielsweise ihre Zigaretten täglich im Päckchen, anstatt ein Stange zu kaufen, die genausoviel kostet. Aber 5 Euro pro Tag tun deutlich weniger “weh” als auf einmal 50 Euro auszugeben. Dabei würde man sich dadurch unter Umständen sogar Wege und Zeit ersparen. Auch das ist nicht rationell.

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Woher der Effekt kommt

Für die subjektive “Erhöhung” von Beträgen, die uns zeitlich näher stehen – seien es Gewinne oder Verluste – ist höchstwahrscheinlich unser menschlicher Drang nach “sofortiger Bedürfnisbefriedigung” ursächlich verantwortlich.

Ein wenig mitschuldig daran ist sicher auch die kapitalistische Konsumwirtschaft – der Drang, Dinge möglichst sofort zu haben und ihre Vorteile zu “genießen” wird dort übermäßig oft bedient. “Kaufen Sie sich Ihr neues Auto auf Kredit”, “schlagen Sie sofort zu”, “sparen Sie jetzt 150 EUR”, …

Auf diese Weise wird uns auch noch dauernd beigepflichtet, dass “jetzt” immer viel mehr wert ist ist als “später”. Das haben wir bereits so verinnerlicht, dass wir es gar nicht mehr hinterfragen. Das neue Auto ist in einem Jahr deshalb nicht “weniger wert”, es ist vielleicht sogar kostengünstiger wenn wir dann keinen Kredit dafür benötigen.

Kleinen Kindern versucht man pädagogisch zu vermitteln, dass nicht alle ihre Bedürfnisse jetzt sofort befriedigt werden können, und dass man warten können muss – im täglichen Leben tun sich die meisten Erwachsenen damit aber genauso schwer, beschränken sich aber meist darauf, Kinder wegen ihrer “Ungeduld” dafür zu bestrafen.

Dabei ist die Wurzel in beiden Fällen die gleiche – subjektiv sind alle sofortigen Gewinne in unserem Kopf einfach mehr wert als spätere Gewinne.

 

Wie kann man dem Hyperbolic Discounting Effekt am besten begegnen?

In vielen Bereichen wird uns der Hyperbolic Discounting Effekt immer unwillkürlich zu schaffen machen – etwa wenn wir versuchen, etwas für unsere persönliche Altersvorsorge zu tun. oder in anderen Bereichen regelmäßig Geld zurückzulegen oder anzulegen. Ein kleiner Verlust “jetzt” wird uns immer mehr zu schaffen machen als ein großer Gewinn “später”.

Manche versuchen, sich das angepeilte Endergebnis möglichst zeitnah vorzustellen: in unserem Beispiel – wie würde es sich anfühlen, 15.000 Euro auf das eigene Konto zu überweisen, was könnte man damit alles anfangen? Das funktioniert sogar recht häufig, da die zeitliche Dimension, die den Betrag im Kopf verfälscht und “abwertet” dann in den Hintergrund tritt, und der Betrag dann wieder (realistischerweise) sehr hoch wirkt – vor allem im Vergleich zu den 25 Euro, die in der aktuellen Woche fällig werden. Allerdings wird man diesen Trick, Beträge auf die gleiche zeitliche Ebene zu bekommen wohl recht oft wiederholen müssen. Die “optische Täuschung” durch den Hyperbolic Discount Effekt verfolgt uns in der Regel recht hartnäckig.

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Ein bisschen kann man sich dabei auch über den Dispositionseffekt klar werden, der hier ebenfalls greift: Verluste, auch unbedeutende, versucht man mit allen Mitteln zu vermeiden, Gewinne werden, wenn man sie nicht sofort realisieren kann, oft als unbedeutend eingestuft.

Die andere Möglichkeit, dem Effekt zu begegnen, ist die Schmerzhaftigkeit des “Verlusts” in der Gegenwart so weit wie möglich zu begrenzen, wie es Raucher tun: wer täglich 3,30 Euro in sein Sparkuvert tut, hat auch am Monatsende seine 100 Euro beisammen – die tägliche Gewohnheit macht den Verlust weniger schmerzhaft, weil man sich nach spätestens ein bis zwei Monaten daran gewöhnt hat und die Gewohnheit nicht mehr bewusst wahrnimmt. Auch auf diese Weise kann man unter Umständen dem Effekt ein Schnippchen schlagen.

Ansonsten bleibt nur, sich zu zwingen, rational zu denken und Beträge möglichst an konkreten Dingen festzumachen, um der “inneren Abwertung” zu begegnen und Beträge trotz der zeitlichen Distanz vergleichbar zu halten.

Wer den Effekt kennt und versteht, wie er funktioniert hat aber zumindest schon einen wesentlichen Schritt getan, ihm nicht zum Opfer zu fallen. Immerhin lauern da draussen noch viele weitere psychologische Fallen, die uns unser Geld und unseren persönlichen Gewinn streitig machen wollen. Über diese Fallen werden wir Sie dann laufend in den anderen Beiträgen unserer kleinen Serie über Behavioral Finance aufklären. Lesen Sie weiter!

Übrigens: Eine weitere praktische Anwendung des Hyperbolic Discounting Effekts können Sie auch beim Thema Broker Kosten beobachten: Kaum jemand macht sich Gedanken, welche Summen eigentlich durch das Einsparen von unnötigen Gebühren beim eigenen Broker im Lauf der Zeit zusammenkommen. Jeder Cent gesparte Gebühren ist allerdings GEWINN, der in ihrer Anlage verbleibt – und gemeinsam mit den daraus entstehenden Zinseszinsen entstehen dadurch oft solide Beträge, die Sie ebenfalls “geschenkt” bekommen. Fallen Sie hier nicht auch dem Hyperbolic Discounting Effekt anheim, und schätzen Sie diese Gewinne nicht gering, sondern benutzen Sie unseren individuell einstellbaren Brokervergleich und bedienen Sie Ihre Anlage mit den geringsten möglichen Gebühren. Jeder Euro, den Sie mit Gebühren sparen, ist mit Zinseszinsen vervielfachter Gewinn!

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