Boden im Ausverkauf: Land-Grabbing nimmt stark zu

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Boden im Ausverkauf: Land-Grabbing nimmt stark zu

Spekulieren kann man bekanntlich mit allem. Bei manchen Gütern hört dann der Spaß allerdings auf – etwa bei Weizen oder anderen dringend notwendigen Agrarprodukten, bei denen Spekulationen als äußerst unmoralisch gelten, da steigende Preise die Ernährungsgrundlage vieler tausender Menschen in armen Gebieten massiv bedrohen können. Eine andere, tatsächlich noch viel bedrohlichere Form von Spekulation bleibt dagegen von der Öffentlichkeit und den Medien nahezu unbemerkt: das sogenannte “Land-Grabbing” nimmt deutlich zu. Die Folgen sind dabei kaum abschätzbar.

Was ist Land-Grabbing?

Der Begriff steht an sich für eine Aneignung von Land, vor allem von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, durch wirtschaftlich sehr potente Akteure. Das sind vor allem Spekulanten und Konzerne, gelegentlich auch Regierungen oder Regierungsorganisationen sein. Erworben werden dabei nicht nur Landflächen im Inland, sondern auch in Entwicklungs- und Schwellenländern, also außerhalb des eigenen Staatsgebiets.

Das Erwerben von großen Landflächen muss nicht zwingend illegal sein – in moralischer Hinsicht verhält es sich dabei allerdings wie mit den Spekulationen auf Grundnahrungsmittel (wie Weizen): Wenn man es übertreibt, kann das unvorhersehbare Folgen für weite Bevölkerungsschichten und für die Sicherstellung der Nahrungsgrundlage in einzelnen Gebieten haben. Nur rund 10 % aller Land-Grabbing Aktionen haben überhaupt die Produktion von Lebensmitteln zum Ziel – 90 % der Projekte werden für andere Zwecke gebraucht (missbraucht). Angesichts der für die nahe Zukunft vorhergesagten Schwierigkeiten, die Weltbevölkerung noch ausreichend ernähren zu können, kann einen das durchaus bedenklich stimmen.

Land-Grabbing ist dabei keine Randerscheinung und kein Rand-Phänomen: Schätzungen zufolge sind von Land-Grabbing rund 40 Millionen Hektar landwirtschaftliche Flächen weltweit betroffen – einige Schätzungen gehen sogar von bis zu 200 Millionen Hektar aus. Informiert ist darüber aber kaum jemand.

Land-Grabbing in Europa und Deutschland

Auch in Europa ist Land-Grabbing ein Problem geworden. Sieht man sich nur allein die EU an, stellt man fest, dass lediglich 3 % der Grundbesitzer bereits die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Flächen der EU kontrollieren. Hier gibt es bereits ein ähnliches Missverhältnis in der Verteilung wie beim Vermögen. Allerdings mit sicherlich noch drastischeren Folgen.

Auch in Deutschland nimmt der Ausverkauf an Grund und Boden in den letzten Jahren drastisch zu. Käufer sind hier vor allem Spekulanten und finanziell potente Akteure, die vor allem eine rentable Kapitalanlage suchen. Das sind dann durchaus auch große Unternehmen wie die MunichRe, ein großer Rückversicherer, oder auch Superreiche wie Günther Fielmann oder Stiftungen wie die Gustav-Zech-Stiftung. Man mag hier ernsthaft bezweifeln, dass irgendeiner dieser Käufer tatsächlich im Sinn hätte, Landwirtschaft zu betreiben.

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Das Problem bei der ganzen Geschichte ist, dass Aufkäufe im großen Stil natürlich die Bodenpreise nicht unbeeinflusst lassen. Das kann man aus entsprechenden Statistiken auch gut nachvollziehen: in vielen Bereichen haben sich die Bodenpreise nahezu verdoppelt – seit 2010. In anderen Bereichen sind die Steigerungen dagegen moderater. Die ungleichmäßige Entwicklung lässt darauf schließen, dass vor allem Großkäufe und Spekulationen für ein schnelles Ansteigen der Bodenpreise in den betroffenen Gebieten verantwortlich zeichnen. Besonders hohe Anstiege lassen sich vor allem in den neuen Bundesländern beobachten: dort scheint Bodenspekulation ein besonders einträgliches Geschäft zu sein.

Warum kaufen die Bauern nicht einfach das Land?

Zumindest in Deutschland ist das ein Problem, das in direktem Zusammenhang mit steigenden Preisen steht. Vielen Bauern gelingt es nicht, mit den kapitalkräftigen Investoren mitzuhalten. Vom Gesetz her ist den vor Ort ansässigen Landwirten zwar pauschal ein Vorkaufsrecht eingeräumt – allerdings nur dann, wenn sie auch die gleichen Preise zahlen können wie die Investoren. Bei steigenden Bodenpreisen wird das für die Landwirte zunehmend schwieriger, vor allem wenn es um große oder sehr große Flächen geht.

Dazu kommt ein weiterer Umstand, den wohl niemand bei der Gestaltung der Gesetze so ganz bedacht hat: Ein Landwirt muss zusätzlich zum teilweise bereits hohen Kaufpreis auch noch Grunderwerbssteuer bezahlen – der Investor allerdings vielfach nicht. Die Grunderwerbssteuer, die in vielen Bereichen um die 5 % des Kaufpreises beträgt, erschwert den örtlich ansässigen Bauern den Erwerb noch zusätzlich und setzt sie beim Kaufpreis noch weiter in den Nachteil.

Damit fällt es vielen örtlich ansässigen Bauern schwer, die zum Verkauf stehenden Flächen zu erwerben, um darauf tatsächlich Landwirtschaft zu betreiben.

Die Situation in Europa und insbesondere in Deutschland gestaltet sich damit deutlich anders als in Schwellen- und Entwicklungsländern: dort haben oder hätten die Landwirte schlicht überhaupt kein Geld, um den Investoren auch nur irgendetwas entgegensetzen zu können. Ein Vorkaufsrecht haben sie außerdem auch nicht – eher noch im Gegenteil, die Regierungen der jeweiligen Länder sehen in vielen Fällen oft sogar lieber ausländische Investoren als einheimische Bauern als Käufer. Das Bewusstsein für die Problematik solcher Ausverkäufe in großem Umfang fehlt hier teilweise völlig – kurzsichtig hofft man einfach nur auf ausländisches Geld, das die Wirtschaft beflügeln soll.

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Die Folgen in Deutschland und Europa

Das auch in Europa und Deutschland stark zunehmende Land-Grabbing in den letzten Jahren bringt eine ganze Reihe Probleme mit sich:

1. Steigende Bodenpreise bedeuten auch steigende Pachtpreise. Gerade die Pachtpreise sind aber für die Bauern besonders wichtig, da sie ganz wesentlich darüber mitentscheiden ob und in welchem Umfang überhaupt wirtschaftlich produziert werden kann.

2. Viele Flächen bleiben ungenutzt. Eine große Zahl von landwirtschaftlichen Flächen sind reine Anlage- und Spekulationsobjekte. Landwirtschaft wird darauf nicht betrieben. Besonders drastisch sieht man das etwa in Mecklenburg-Vorpommern. Dort gibt es in manchen Landstrichen kaum mehr dauerhaft bewirtschaftete Höfe. Die grundlegende Nutzung der Fläche betrifft nur noch Aussaat und Ernte – mehr geschieht hier nicht mehr. Diese Tätigkeiten werden in sehr kurzen Zeiträumen von Arbeitern gleichsam “auf der Durchreise” erledigt. Für die nachhaltige und langfristige Entwicklung einer Region bedeutet so etwas natürlich einen Todesstoß.

3. Die Kapazitäten für die Nahrungsmittelproduktion schwinden. Allein der steigende Fleischkonsum fordert immer mehr Anbauflächen, die zu Weideflächen und Produktionsflächen “umgebaut” werden. Schwinden nun auch noch zusätzlich große Landstriche, mit denen nur noch spekuliert werden, schrumpfen die potenziellen Anbauflächen immer weiter – bei gleichzeitig steigendem Bedarf an Anbauflächen, um für die wachsende Bevölkerung noch ausreichend Nahrungsmittel produzieren zu können. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung – irgendwann ist die Nachfrage dann höher als die tatsächliche Produktionskapazität. Auch immer höhere Erträge und der Einsatz immer drastischerer chemischer und genetischer Mittel können das irgendwann einmal nicht mehr wettmachen. Dann stehen wir vor einem echten Problem, das sich nicht so schnell lösen lassen wird.

Es gibt kaum Klarheit über Käufe und Verkäufe

Natürlich sollte man in diesem Bereich nachbessern – und Investments und Käufe bei Agrarflächen zum reinen Selbstzweck der Investoren möglichst auf ein sinnvolles Maß beschränken. Die Politik steht hier allerdings vor einem Problem: es gibt praktisch keine Statistiken, die nachvollziehen lassen, wer wann wie viele landwirtschaftlichen Flächen kauft. Im alles-regulierenden Deutschland scheint das zunächst verwunderlich – es erklärt sich aber daraus, dass viele Verkäufe von den Behörden gar nicht erfasst werden. Das macht es für die Politik natürlich nahezu unmöglich, überhaupt einmal Maßnahmen zu gestalten und auch den Erfolg solcher Maßnahmen zu bewerten. Dazu bräuchte es zunächst einmal eine Übersicht.

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Bei den Aufkäufen wirklich großer Flächen in Asien und Afrika gibt es natürlich noch weniger Kontrolle – und zudem kaum jemanden, der sich zuständig fühlt. Es läge zwar im Interesse jeder Staaten, auf deren Staatsgebiet die zu Billigpreisen verschleuderten Ackerflächen liegen, dazu fehlt aber vielfach das Bewusstsein und das langfristige Denken. Man will es sich mit den ausländischen Investoren und zum Teil auch mit den ausländischen Regierungen möglichst nicht verscherzen – und man hat vielerorts lieber das Geld der Investoren im Land, als sich tatsächlich auf den Weg zu machen, ein erfolgreicher Agrarstaat zu werden, der sich weitgehend selbst versorgen kann. Das hat etwas von rückschrittlich. In unserer kapitalistischen Welt hungern gerade die Entwicklungsländer eher nach Luxus und Lifestyle, nach dem “Aufholen” im Lebensstandard als nach bäuerlichen Fortschritten. Einerseits verständlich, andererseits natürlich fatal – für die Wirtschaft dieser Staaten und auch zu einem großen Teil für die Welternährung.

Kann man auch als Kleinanleger Ackerflächen als Kapitalanlage kaufen?

Theoretisch kann man das natürlich – aus den oben beschriebenen Gründen sollte man aber lieber darauf verzichten, wenn man auf der Fläche nicht wirklich Ackerbau betreiben will. Bodenspekulation ist moralisch äußerst bedenklich – wenn man kann, sollte man das in den letzten Jahren immer weiter zunehmende Land-Grabbing möglichst nicht unterstützen. Zudem hat man gerade bei größeren Flächen ohnehin ein sehr hohes Klumpenrisiko, da hier sehr viel Geld in einer einzelnen Anlage steckt. Auch aus rein finanztechnischer Sicht macht das gerade für Kleinanleger also nur wenig Sinn.

Auch als Privatmann sollte man sich allerdings in jedem Fall der Problematik zumindest bewusst sein: Land-Grabbing gehört mit zu den größten Problemen unserer Zeit – ohne dass es jemand bemerkt.

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