Pay-Your-Debt (PYD): In jedem Fall die beste Strategie? Schuldentilgung oder Anlage?

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Pay-Your-Debt (PYD): In jedem Fall die beste Strategie? Schuldentilgung oder Anlage?

Wenn es um die persönliche finanzielle Situation geht, dann leuchtet jedem ein, dass Vorsorge und Vorausplanung wichtig ist. Gleichzeitig gibt es aber auch kaum jemanden im Land, der keine Schulden oder Rückzahlungsverpflichtungen hätte. Wie sich Schulden und Kapitalanlage zueinander verhalten, wie sie am besten zueinander stehen sollten, und ob der Ratschlag “pay your debt” tatsächlich immer der beste ist, wollen wir in diesem Beitrag einmal gründlich untersuchen.

Wir und unsere Schulden

Sieht man sich die Verschuldenslage in Deutschland einmal eteas genauer an, sieht es – jedenfalls im Durchschnitt und in der Allgemeinheit – gar nicht so gut aus, wie wir alle gerne glauben möchten.

Weit über 3.000 Euro Schulden hat jeder Deutsche über den Durchschnitt gerechnet, wenn man die offiziellen Zahlen heranzieht. Das bedeutet, wenn man den Vergleich mit anderen europäischen Ländern heranzieht, dass Deutschland nicht nur Export-Weltmeister, sondern die deutschen Bürger auch die unangefochten Schulden-Weltmeister sind. In praktisch keinem anderen Land Europas sind Privatpersonen im Durchschnitt so hoch verschuldet wie in Deutschland. Gar nicht eingerechnet sind abei die “versteckten” Schulden über sogenannte Dauerschuldverhältnisse (etwa sehr teure Handyverträge, die man über bestimmte Fristen auch noch bedienen muss).

Ob diese Faktum jetzt allerdings grundsätzlich negativ zu bewerten ist, darüber kann man schon ganz grundsätzlich streiten. Wer Geld hat, wem es finanziell vergleichsweise gut geht, der nimmt auch leichter höhere Kredite auf und hat höhere Schulden lautet eine recht gut begründete Ansicht aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften. Wenn ein Großteil Deutschlands also finanziell solide dasteht, bedeutet das nach dieser Ansicht, dass diese Menschen auch vergleichsweise höhere Schulden haben, als Menschen in Ländern, die weniger verdienen und denen weniger zum Leben bleibt.

Auf der anderen Seite sind Schulden aber natürlich immer eine Belastung – und ein Hindernis. Ändert sich die finanzielle Situation des einzelnen dramatisch, können sie auch schnell zum Risiko werden – und zum Bumerang, der einen dann endgültig von den Füßen holt. Bei aller ökonomischen Betrachtungsweise, bei der Schulden einfach ein Zeichen von Wohlstand sind, sollte man diesen Umstand doch nie ganz vergessen.

Problem Überschuldung

Auch wenn man Schulden im volkswirtschaftlichen Kontext als etwas grundsätzlich Positives sieht, erkennt man auch noch etwas anderes, wenn man die Zahlen einmal etwas genauer unter die Lupe nimmt: Knapp 10% der deutschen Bevölkerung sind privat überschuldet – Tendenz stark steigend.

Besonders auffällig dabei: immer mehr junge Erwachsene geraten in die Schuldenfalle – also vor allem Menschen in einem Alter, wo die Jobchancen am besten sind, ein Zeitraum im Leben in dem man eigentlich Vermögen aufbauen und vorsorgen sollte. Das individuelle Schuldenvolumen ist in den letzten Jahren zwar minimal zurückgegangen – die Zahl der überschuldeten Deutschen ist aber vergleichsweise um mehrere Prozentpunkte gestiegen.

Als Ursache für die Überschuldung werden in den allermeisten Fällen Konsumschulden verortet. Menschen geben im “Kaufrausch” weit mehr aus, als sie sich eigentlich leisten können. Gerade bei jungen Erwachsenen, die am Anfang ihres Lebens und ihrer Karriere stehen, sollte das schon recht bedenklich stimmen. Gleichzeitig ist die Sparquote auf einem wirklich historischen Tiefststand angelangt – noch nie zu vor wurde so wenig vom eigenen Geld gespart, und so viel davon mit vollen Händen (und weit darüber hinaus) ausgegeben.
Dabei muss man allerdings – bei aller Objektivität – die volkswirtschaftliche Perspektive von der des einzelnen gründlich trennen. Hoher Konsum ist ein Zeichen für Wohlstand und eine hohe Konsumbereitschaft ein Motor für die Wirtschaft – das mag schon zutreffen. Für den einzelnen ist die beginnende oder fortgeschrittenen Schuldenspirale aber in jedem Fall kein Gewinn.

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Ab wann ist man überschuldet?

Dabei stellt sich eine Frage, die man schon einmal ganz grundsätzlich beantworten muss. Wann liegt Verschuldung vor – und ab wann ist man überschuldet? So einfach ist das gar nicht festzulegen: Grundsätzlich gilt der Punkt als Beginn von Überschuldung, wo man seine Verbindlichkeiten nicht mehr planmäßig abbauen kann. Dass das der Fall ist, ist aber nicht immer und in jedem Fall leicht zu erkennen. Unter großem Aufwand gelingt es immer wieder, sich “durchzumogeln” und alle Gläubiger ruhig zu halten.

Wem es gelingt, mit allen Gläubigern Abzahlungsvereinbarungen einzugehen, monatlich aber nicht genug von den Schulden abzahlen kann, vermehrt dadurch oft über lange Zeit hinweg seine Gesamtschulden, ohne das zu merken. Eine solche “Schuldenspirale”, die zwangsläufig immer weiter nach unten führt, und alle finanziellen Ressourcen aufzehrt, findet man sehr häufig bei überschuldeten Menschen. In vielen Fällen erkennt man Überschuldung erst viel zu spät.

Eine Feststellung, ob es sich um Verschuldung oder Überschuldung handelt, ist überaus wichtig – Überschuldung erfordert SOFORTIGES Handeln, bei Verschuldung sollte man sich lediglich gründlich Gedanken machen, und das bestehende Risiko abwägen.

Wer bereits überschuldet ist, sollte sich auf jeden Fall sofort Hilfe suchen, und den Zustand so schnell wie möglich beheben – dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, die Schuldnerberatung hilft hier weiter. Geld anzusparen oder auf die Seite zu legen (wenn das überhaupt möglich ist) ist bei überschuldeten Menschen zwecklos – wenn noch ein wenig mehr schief geht, sind die Rücklagen dann ohnehin zu Gänze weg und verschwinden ohne große Wirkung irgendwo im Schuldenberg.

Schulden und Kapitalanlage.

Nun gut, die meisten Menschen in Deutschland haben also Schulden. Die meisten haben auch eine Kapitalanlage, oder betreiben Vorsorge. Oder sie schaffen sich zumindest kleine Rücklagen, über Bausparverträge, Festgeld oder Aktien- und Fondsinvestments. Aber macht beides zusammen überhaupt Sinn?

Ist es sinnvoll, auf der einen Seite eine laufende Rückzahlungsverpflichtung zu haben, und auf der anderen Seite Geld anzusparen? Die Frage ist – obwohl es sich um einen offenkundigen Widerspruch handelt – dennoch nicht so leicht zu beantworten. Man muss sie durchaus von mehreren Seiten her betrachten.

Pay-Your-Debts als Strategie

Einige Finanz- und Anlageexperten (allerdings wenige von den bekannten) empfehlen, grundsätzlich zunächst einmal alle Schulden zu tilgen, die man hat. Schuldenfrei zu leben, senkt die Festkosten die man hat, und das finanzielle Risiko. Und der Widerspruch wäre beseitigt, dass man auf der einen Seite offene Verpflichtungen hat, und auf der anderen Seite Kapital anlegt.

Eine andere Rechenweise ist sogar noch einleuchtender: Wer – beispielsweise – bei einer Baufinanzierung ein Sondertilgungsrecht hat, legt sein Geld recht gut an. Warum? Nun, für jeden in die Schuldentilgung investierten Euro erspart man sich die Zinsen (und die Zinseszinsen) für diesen Euro. Rechnet man das einmal ganz klassisch durch – 1 Euro verzinst mit den Kreditzinsen und Zinseszinsen – dann hat man damit am Ende sehr viel Geld aus seinem Euro gemacht.

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Eine Sondertilgung bei Krediten lohnt sich also allein schon aus rechnerischen Gründen oft sogar noch deutlich mehr als eine schwach verzinste Kapitalanlage. Rechnen Sie das einmal für sich durch. Je länger die verbleibende Restlaufzeit, desto höher natürlich der Effekt für das so “angelegte” Kapital.

Interessanterweise macht diese Rechnung so kaum jemand auf – obwohl sie eigentlich einleuchtend wäre. Die fälligen Zinsen bis zum Ende der Kreditlaufzeit müssten Sie immer bezahlen – dem können Sie ohnehin nicht entgehen. Wenn Sie sich diese Zinsen ersparen können, haben Sie Geld gewonnen, dass Sie sonst in jedem Fall zahlen hätten müssen.

Schulden zahlen und finanzielle Unabhängigkeit

Wer sich als Ziel die finanzielle Unabhängigkeit gesetzt hat, sollte möglichst auch keine laufenden Verbindlichkeiten (außer den Lebenshaltungskosten) haben. Das ist zwar keine unbedingt zwingende Voraussetzung – aber Kredite, die man noch zurückzahlen muss, schränken die finanzielle Unabhängigkeit zumindest gefühlsmäßig ein.

Natürlich kann man die Kosten für einen langfristigen Kredit auch unter “Lebenshaltungskosten” mit einrechnen – sinnvoll ist es aber in den meisten Fällen nicht. Wer finanziell unabhängig sein möchte, sollte auch seine Zahlungsverpflichtungen alle erledigt haben, und keine offenen Forderungen am Bein. Das wäre dann echte Unabhängigkeit.

Der Vorteil der Schuldenfreiheit

Selbst wer nur geringe Schulden hat, die er bedienen muss, steht dennoch immer unter einem gewissen Druck. Solange die finanzielle Lage es erlaubt, kann man die Kreditraten ja leicht bedienen – kommt es allerdings zu Problemen (Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfall, ein Familienmitglied wird plötzlich pflegebedürftig, etc.) dann kann eine Rückzahlung schnell problematisch werden.

Wer völlig schuldenfrei ist, hat in der Regel auch in Notsituationen immer noch die Möglichkeit, sich schnell mit einem Kredit aus der Klemme zu helfen, wenn es nötig ist. Wenn die maximal sinnvolle Kredithöhe in einem Privathaushalt bereits ausgeschöpft ist, geht in Notfällen nichts mehr. Geht man dann auf die Bank und bittet um Geld zur Überbrückung einer dringenden Notlage, wird dann wohl meist abgelehnt werden.

Man sollte sich dessen auf jeden Fall bewusst werden. Mit ausgeschöpftem “Kreditlimit” UND ohne Rücklagen lebt man äußerst riskant. Passiert dann noch etwas Unvorhergesehenes, kann man schnell in die Überschuldung geraten – mit allen bösen Folgen, die das nach sich zieht.

Kapitalanlage trotz Schulden?

Irgendwann muss man auch für sein Alter vorsorgen. Damit beginnt man am besten früh. Es nützt im Grunde nichts, damit zu warten, bis man alle seine Schulden abbezahlt hat. Damit verschenkt man nur wertvolle Zeit – und damit auch wertvolle Zinseszinserträge für eine Anlage. Oder langfristige Zinsgewinne, im Falle von Aktien.

Ein Leben völlig ohne Kredite wäre wünschenswert – in vielen Fällen sind Kredite aber auch eine Hilfe, um nicht Reserven, die man hat, vollständig aufbrauchen zu müssen (etwa um ein neues Auto bar zu bezahlen). Kredite sollte man nie dazu missbrauchen, um sich etwas anzuschaffen, was man sich nicht leisten könnte – aber in vielen Fällen macht eine Kreditfinanzierung aus rein praktischen Gründen durchaus Sinn.

Dass man auch mit Schulden durchaus gut leben kann, zeigt schon der deutsche Staat. Die Verschuldung von Deutschland liegt weit jenseits der 2.000 Milliarden Euro (Bund, Länder und Gemeinden zusammen, auf den Bund entfallen dabei rund zwei Drittel dieser horrenden Summe). Niemand denkt daran, den Schuldenberg tatsächlich abzutragen, das wäre ohnehin illusorisch und würde bei den derzeitig verfügten Sparmaßnahmen etwa bis zum Ende des nächsten Jahrhunderts (ins Jahr 2185) dauern. Dennoch scheint der deutsche Staat sich durchwegs pudelwohl zu fühlen, und hat keine Zukunftsängste. Ob man sich daran jetzt auch als Privatmann ein Beispiel nehmen sollte, wagen wir eher zu bezweifeln.

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Eins ist aber klar – beim Bund und auch bei vielen Privathaushalten: Schulden gehören in gewissem Maß zum Leben und sind nicht automatisch “böse” sondern oft sinnvoll. . Vollkommen schuldenfrei zu leben ist ein bisschen, wie Veganer sein: recht extrem, und in der Praxis wird’s oft recht kompliziert, wenn man sich konsequent daran halten will. Trotzdem sind Rücklagen wichtig – eine kurzfristige, mittelfristige und eine langfristige Anlage sollte es auf jeden Fall geben.

Halbe-Halbe zwischen Schulden und Anlage als sinnvolle Lösung

Sinnvoll fänden wir, die maximale finanzielle Belastbarkeit heranzuziehen, wie man sie auch bei Kreditberechnungen verwendet. Dafür gibt es ein paar gute Richtwerte. Eine Faustregel, die in der Praxis recht gut funktioniert sind:

Nettoeinkommen, ohne Sonderzahlungen, ohne 13. Gehalt
davon 40 %, bei eher niedrigem Einkommen maximal 30 % = maximale finanzielle Belastbarkeit

Die maximale finanzielle Belastbarkeit gibt bei der Kreditberechnung auch die maximal mögliche Ratenhöhe an, die bequem und sicher leistbar ist. Würde man diese maximale Ratenhöhe nun ansetzen und zu gleichen Teilen auf Kredit und Anlage zu teilen, ist man gut geschützt und sicher gerüstet.

Ein Beispiel

Netto-Einkommen pro Monat = 1.700 Euro
Die maximale finanzielle Belastbarkeit liegt hier zwischen 510 Euro (30 %) und 680 Euro (40%)

In unserem Beispiel könnte die maximale Kreditbelastung also 255 Euro monatlich (bzw. 340 Euro monatlich) an Kreditraten betragen. Gleichzeitig könnte man jeden Monat 255 Euro (340 Euro) jeweils auf die kurzfristige, mittelfristige und die langfristige Anlage verteilen.

Der Vorteil: Kredite können teurere Anschaffungen finanzieren, während man sich gleichzeitig eine solide finanzielle Basis schafft, aus der heraus man selbst in Härtefällen mal einige Monate die Kreditraten bedienen kann (es wird dann einfach nichts in die Anlage eingezahlt). Sinkt das Einkommen, ist man immer noch auf der sicheren Seite, weil man zwischen Anlage-Betrag und Kreditraten-Betrag immer noch ein wenig “schieben” kann.

Man geht damit kein Risiko ein, sorgt sicher und sehr umsichtig vor und steht trotzdem nie unter finanziellem Druck, auch nicht, wenn plötzliche Veränderungen nötig sind.

Ob man dann einen Teil seiner Anlage zur frühzeitigen Schuldentilgung verwendet (wegen der guten Rendite dieser meist “mittelfristigen” Anlage) verwendet, hängt davon ab, ob man für eine andere Anlageform mehr oder weniger Zinsen bekommt. Gerade bei Baufinanzierungen werden Sondertilgungen sicherlich gelegentlich lohnend sein – immer ist das bestimmt nicht der Fall. Mit dem Halbe-Halbe-Modell ist man aber auf jeden Fall immer auf der sicheren Seite und kann zumindest frei entscheiden, wohin man sein Geld steckt.

Pay-Your-Debts ist also ein gut gemeinter Ratschlag, der sicherlich manchmal Sinn machen würde – es ist aber auf keinen Fall die Allheilmittel-Strategie für alle in jeder Situation.

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