Finanzprodukte auf der Basis von Behavioral Finance – macht so etwas Sinn?

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Finanzprodukte auf der Basis von Behavioral Finance – macht so etwas Sinn?

Die Wissenschaft der Behavioral Finance hat in den letzten Jahren viele Erkenntnisse und Anhaltspunkte geliefert, wo Anleger besonders häufig in psychologische Fallen tappen oder sich durch eine unrealistische Wahrnehmungen selbst schaden können. In den letzten Jahren sind deshalb immer mehr Finanzprodukte entstanden, die Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie berücksichtigen und damit “anlegergerechter” werden sollen. Die Frage, die sich stellt, ist dabei aber immer, wie gut so etwas tatsächlich gelingen kann – und ob es überhaupt Sinn macht. Wir sind dieser Frage einmal etwas näher nachgegangen – das Ergebnis lesen Sie in unserem Beitrag.

Anleger handeln nicht immer rational

Das ist die Basis-Erkenntnis, auf die sich Behavioral Finance als Wissenschaft stützt – dabei versucht sie zu ergründen, auf WELCHE WEISE und IN WELCHEN SITUATIONEN Anleger sich nicht rational verhalten.

Das Ganze nützt dabei nicht nur Anlegern, die durch solche Erkenntnisse vermeiden können, in psychologische Fallen zu tappen und viel Geld zu verlieren. Es nützt auch insgesamt der Wirtschaft, denn Fehlschlüsse und irrationale Anleger-Reaktionen sorgen für Unruhe an den Börsen, Blasenbildung und spektakuläre Crashs.

Als Beispiel möchten wir an dieser Stelle wieder einmal auf den jüngsten amerikanischen Crash vom Februar 2018 verweisen: trotz guter Fundamentaldaten und keinerlei negativen Nachrichten wurden Anleger plötzlich nervös und warfen ihre Papiere innerhalb kürzester Zeit auf den Markt, was dazu führte, dass der Dow Jones einen Absturz wie nie zuvor in seiner Geschichte hinlegte.

Grund dafür war weitgehend das völlig irrationale Gefühl gewesen dass “alles zu gut lief” und die positive Entwicklung irgendwann zu Ende sein müsste. Den Rest besorgten Herdenverhalten und sich ausbreitende Panik, indem die Nachrichten von größeren Verkäufen von vielen Anlegern völlig überbewertet wurden. Es entwickelte sich eine gigantische Stampede und in der Folge kam es zu einem echten Crash an den US-Börsen, der sich auch weltweit entsprechend auswirkte. Fast überall rauschten die Indizes herunter und die Anleger blieben vielfach mit massiven Verlusten sitzen.

Wenn man solche Entwicklungen vermeiden könnte, wäre das natürlich auch im Interesse der Märkte – nicht nur im Interesse der Anleger. Entwicklungen wie beim eben erwähnten US-Börsencrash beeinträchtigen die Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwicklung, sorgen für Unruhe und erschüttern das Vertrauen von Anlegern in die Börse und in die Berechenbarkeit der Märkte. Je ängstlicher und zurückhaltender sich Anleger aber verhalten, desto weniger Geld fließt in die Wirtschaft – was langfristig die Entwicklung bremst. Das schadet sowohl dem einzelnen Unternehmen, das auf Investoren angewiesen ist, als auch der Wirtschaft insgesamt.

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Die Frage, die sich nun aufdrängt, ist: Kann man durch eine entsprechende Gestaltung von Finanzprodukten und die Berücksichtigung von häufig auftretenden Fehlschlüssen bei Anlegern dafür sorgen, dass insgesamt ein rationaleres Anlegerverhalten auftritt? Was wären die positiven Effekte?

Rationalität und Markteffizienz

Die Markteffizienzhypothese steht seit vielen Jahren in der Kritik. Grundsätzlich funktioniert sie – in vielen Fällen liegt sie mit ihren Voraussagen dann aber völlig daneben. Der Grund dafür ist ganz einfach, dass die Markteffizienzhypothese darauf beruht, dass alle Anleger RATIONALE Entscheidungen treffen. In der Praxis tun sie das allerdings nicht immer – und genau in diesen Fällen liefert die Markteffizienzhypothese völlig falsche Vorhersagen. Sie berücksichtigt also irrationales Anlageverhalten nicht ausreichend – ansonsten stimmt sie.

Obwohl die Hypothese von einem effizienten Markt (der immer realistische Preise abhängig von den gerade verfügbaren Informationen beinhaltet) seit vielen Jahrzehnten stark umstritten ist, gestehen auch Kritiker zu, dass sie in weiten Bereichen durchaus zutreffend ist. Das würde bedeuten, wenn es gelänge, einen wirklich effizienten Markt zu schaffen, Papiere und Werte immer realistisch wären und nie über- oder unterbewertet. Ein wirklich effizienter Markt würde dabei sehr ruhig laufen und die wirtschaftliche Entwicklung deutlich begünstigen. Wertentwicklungen wären gut vorhersehbar und Anleger würden damit viel Vertrauen in die Märkte haben – und dementsprechend viel Geld würde investiert werden.

Gesamt gesehen wäre ein tatsächlich effizienter Markt also zweifellos eine gute Sache. Wenn die Irrationalitäten nicht wären, würden also am Ende alle profitieren. Leider liegt das Problem aber darin, dass man Produkte nicht “anlegersicher” gestalten kann. Fehlschlüsse und irrationale Entscheidungen lassen sich nicht allein durch die Gestaltung von Produkten vermeiden. Wenigstens einige Probleme kann man dabei aber angehen.

Problem Hebelprodukte

Irrationale Anlageentscheidungen oder Fehlschlüsse wirken sich natürlich vor allem dort aus, wo mit hohen bis sehr hohen Hebeln gehandelt wird. Bei solchen Finanzprodukten und Derivaten ist auch das Verlustrisiko der Anleger sehr hoch – was wiederum häufig zu Fehlschlüssen und schnellen, von Angst und Gier getriebenen Reaktionen führt.

In vielen Ländern werden riskante Hebelprodukte von den Aufsichtsbehörden deshalb für Privatanleger bereits verboten. Auch die BaFin, die deutsche Finanzaufsichtsbehörde, hat im letzten Jahr ein Verbot für besonders riskante Finanzprodukte ausgesprochen – etwa für nachschusspflichtige CFDs.

In Deutschland war das das erste Mal, dass die Aufsichtsbehörde gleich eine ganze Gruppe von Finanzprodukten als unzulässig eingestuft und schlicht verboten hat. Die BaFin begründete dies mit ihrem bestehenden Auftrag zum Verbraucherschutz – das Verlustrisiko sollte im Anlagebereich auf den Kapitaleinsatz des privaten Anlegers beschränkt bleiben – bei einer Nachschusspflicht könnte der Verlust dagegen sogar das ganze Vermögen des Anlegers betreffen und das sei, so die BaFin, aus Verbraucherschutzsicht nicht akzeptabel.

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Obwohl wir die Maßnahme im einzelnen durchaus begrüßenswert finden, ist so etwas natürlich nicht das Gelbe vom Ei und der alleinige Lösungsansatz. Das nunmehr bestehende Verbot kann immer noch umgangen werden, indem solche hoch riskanten Finanzprodukte in Ländern bezogen werden, wo sie noch erlaubt sind – außerdem gilt es nur für Privatanleger. Im institutionellen Bereich gilt es nicht. Den Märkten nützt das Verbot also insgesamt nur wenig, da im institutionellen Bereich sicherlich deutlich mehr Geld bewegt wird und in riskante Konstruktionen fließt – und auch dort werden am Ende ja auch “menschliche” und damit häufig irrationale und fehlerbehaftete Entscheidungen getroffen. Die Verbotsmaßnahme ist also nicht wirklich dazu geeignet, Finanzentscheidungen von Anlegern rationeller zu machen – sie hat allenfalls das Bewusstsein von Privatanlegern für stark risikobehaftete Anlageformen ein wenig geschärft und möglicherweise einen Teil von ihnen vor Verlusten bewahrt. Das war aber immerhin auch ihr Zweck. Mit weiteren Folgen darf man hier auch gar nicht rechnen.

In anderen Fällen, wie etwa bei den Bonitätsanleihen, die die BaFin ebenfalls verbieten wollte, haben die Anbieter solcher Anleihen das Verbot durch eine schlichte Umbenennung ganz einfach wirksam verhindert. Hier verfehlen solche Maßnahmen dann gänzlich ihren beabsichtigten Zweck.

Behavioral Finance Betrachtungen als Anlagestrategie?

Das klingt zunächst kompliziert und utopisch, wird in der Praxis aber tatsächlich schon gemacht. Der Hintergrund von Finanzprodukten, die auf der Behavioral Finance beruhen ist, dass man Markttrends anhand von Stimmungen und der Auswertung von Erkenntnissen der Behavioral Finance analysiert und für Anleger zugänglich macht.

Die Anbieter solcher Produkte machen sich dabei Stimmungsanalysen der Märkte zunutze und versuchen besonders einseitige Markterwartungen zu finden, die sie dann entsprechend gewinnbringend nutzbar machen. Sprich: Wenn auf einem Markt eine besonders massive Stimmung herrscht (egal ob optimistisch oder pessimistisch), dann kann man oft recht klar sagen, wohin die Reise geht, weil die meisten Anleger höchstwahrscheinlich auf eine bestimmte Weise reagieren werden. Für die Irrtümer und Fehlschlüsse, wie sie die Behavioral Finance durch Forschung aufdeckt, sind ja immerhin ein Großteil der Menschen anfällig und sie sind häufig nur schwer bis überhaupt nicht vermeidbar.

Hierin liegt also ein anderer Ansatz, mit Irrationalitäten umzugehen: Indem man die Irrationalität der Menschen einfach gewinnbringend nutzt. So etwas macht etwa der sentix Risk Return A Fonds (ISIN DE000A2AMPE9).

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Die Stimmungsanalysen (auch als Markt-Sentiments bezeichnet) kann man sich allerdings auch allein als Anleger zunutze machen – Goldberg & Goldberg veröffentlicht beispielsweise in regelmäßigen Abständen solche Sentiment-Analysen für Märkte und bietet gleichzeitig auch eine Analyse aktueller Ereignisse aus Behavioral Finance Sicht an. Auch die sogenannten Sentiment-Index-Werte für die Frankfurter Börse können für den einen oder vielleicht durchaus aufschlussreiche Erkenntnisse einbringen, die sich dann eventuell auch für Anlageentscheidungen nutzen lassen.

Würde es mehr Produkte geben, die extreme Stimmungen an den Märkten ausnutzen, könnte das auf längere Sicht durchaus Auswirkungen haben, denken wir. Je nachdem, wie viel Volumen mit solchen Anlageformen bewegt wird, hätte das sicherlich durchaus eine ausgleichende Wirkung auf die Märkte, die Gewinne für Anleger, die zusätzlich auch in solche Anlagen investieren könnten in der Summe auch steigen.

Bislang sind die Behavioral Finance Fonds allerdings nur spärlich und dünn gesät, und es bleibt eher zweifelhaft, ob sie je in großer Zahl zu finden sein werden. Immerhin ist dieser Ansatz aber schon einmal recht interessant.

Summa summarum: es bleibt nur, eigene Entscheidungen zu hinterfragen

Irrationale Entscheidungen werden den Menschen wohl kaum auf irgendeine Weise abzugewöhnen sein. Verbote nützen hier genauso wenig wie der Weg, dass einzelne Anleger die psychologischen Schwächen der anderen für sich nutzen.

Am Ende bleibt nur übrig, sich selbst bei der eigenen Nase zu nehmen und seine eigenen Anlageentscheidungen immer gründlich und vor allem bewusst zu hinterfragen. Eine wertvolle Hilfe, Ihre eigenen Fehler besser zu erkennen, kann dabei unsere Serie über Behavioral Finance sein, die Sie hier ((LINK ZUM EINFÜHRUNGSARTIKEL)) finden. Damit sind sie immerhin in der Lage, die häufigsten Fehlschlüsse und psychologischen Wahrnehmungsverzerrungen zu erkennen, denen wir oft unterliegen, und Ihre Entscheidungen noch tiefgehender zu analysieren – ebenso wie Fehler aus der Vergangenheit, die sie gemacht haben.

Was wir aber durchaus sinnvoll finden ist, dass noch mehr Anleger die typischen Fallen kennen und erkennen lernen – wenn Sie unsere Artikelserie weiterempfehlen tun sie also Ihren Freunden und Kollegen ganz sicher einen wertvollen Gefallen und helfen zudem, die Zahl von Fehlentscheidungen und Irrtümern bei Anlageentscheidungen wirksam zu reduzieren. Je besser und je weiter bekannt wird, wo wir gerne Fehler machen, desto weniger Fehler werden wahrscheinlich gemacht. Immerhin stellt das einen sinnvollen Weg dar, der in Zukunft auch immer wichtiger werden wird.

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