Deutsche Anleger sind nicht unbedingt ein Maßstab – aber wenn etwas Jahr um Jahr von den Medien gehyped wird, schlägt das irgendwann zumindest in anderen Teilen der Welt massiv durch: die ETF-Begeisterung. Selbst Warren Buffet wurde nicht müde, Vermögende und weniger Vermögende immer wieder auf den S&P 500 ETF als Anlagemöglichkeit hinzuweisen. In den letzten Jahren stieg die Nachfrage nach ETFs deshalb doch ganz beträchtlich. Leider bringt das auch einige negative Folgen mit sich – und einige Dinge, vor denen man gerade Privatanleger klar warnen muss.
Der ETF-Boom
Die Vorteile von Indexfonds liegen klar auf der Hand: Sie bilden Indices 1:1 nach und erreichen damit ihre Performance. Ein Blick auf den jeweiligen Index ermöglicht damit sogar dem sehr unkundigen Anleger, sofort zu sehen, wie seine Geldanlage performt.
Bei den meisten Indices kann man überdies davon ausgehen, dass sie sich gut entwickeln – weil das gerade bei den etablierten und “großen” Indices wie dem DAX oder dem S&P 500 weithin ein Signal für eine sich gut entwickelnde Wirtschaft ist. Und eine gesunde und möglichst positive wirtschaftliche Entwicklung liegt im klaren Interesse jeder Regierung. Dafür tut man (fast) alles. Auf diese Weise wird quasi von höchster Stelle indirekt dafür gesorgt, dass die eigene Geldanlage gut performt. Steigt der Index, steigt auch die eigene Rendite.
Ständiges Herumschichten erübrigt sich damit für die Anleger auch – ETFs sind quasi das genaue Gegenstück zum Daytrading. Man steckt sein Geld hinein und harrt der Dinge, die da kommen mögen. Viele Experten raten sogar von einer allzu hohen Diversifizierung bei ETF-Anlagen ab – mehr als zwei ETFs sollte man gar nicht im Portfolio haben, wenn man weniger als 100.000 Euro Vermögen besitzt, heißt es. Damit entfällt für den Anleger also auch der Arbeitsaufwand – und das wirtschaftliche Fachwissen. Das ist lediglich für die Auswahl des passenden ETFs in geringem Maß nötig, dabei halten sich die meisten aber ohnehin an Bewährtes.
Diversifizierung ist immerhin auch nicht nötig, denn ein ETF ist ja per se meist schon sehr breit diversifiziert und verteilt das Kapital von sich aus schon auf alle größeren Unternehmen eines Landes oder Kontinents oder auf eine Vielzahl von Unternehmen in einem ganzen Marktsegment.
Das passive Nachbilden der Aktienzusammensetzung ist auch für die Anbieter selbst kein großer Aufwand. Ein aktives Fondmanagement entfällt, man bildet einfach den Index quasi “nach Vorlage” ab und tut ansonsten auch nicht sehr viel, sondern lässt die Dinge einfach einmal laufen, wie sie eben gottgewollt laufen. Das kostet nicht viel Mühe und aus diesem Grund kosten ETFs auch nicht viel an Gebühren – deutlich weniger vor allem als aufwendig aktiv gemanagte Fonds. Das ist auch ein Plus für die Anleger, deren Kapitalanlage so noch deutlich kostengünstiger wird. Weniger Gebühren für die Anlage bedeuten zudem mehr Geld im Portfolio. Mit Zinsen und Zinseszinsen können sich diese ersparten Gebühren auf lange Sicht zu beträchtlichen Summen zusammenläppern, die Anleger am Ende dann zusätzlich zur Verfügung haben. Niedrige Gebühren freuen selbstverständlich jeden Anleger.
Das alles macht die hohe Nachfrage nach ETFs natürlich klar verständlich. Aus Anlegersicht sind ETFs eines der besten Dinge, die die Finanz- und Investmentwelt in vielen Jahrzehnten hervorgebracht hat. Es ist für Kleinanleger geradezu die ideale Anlageform. Was nachgefragt wird, wird dann natürlich auch aufgelegt – und genau hier beginnt das Problem.
Das ETF-Geschäft boomt
Viele Kleinanleger scheinen der Meinung zu sein, es gäbe für jedes Land und jede Region gerade einmal ein, zwei regionale Indices, die als Indikatoren für die Wirtschaftsleistung fungieren und daneben vielleicht einige wenige branchen- oder marktsegmentbezogene Indices, wie die Tech Indices.
Weiter daneben liegen könnte man mit der Schätzung gar nicht: Weltweit gibt es aktuell über 3,7 Millionen verschiedene Indices – Tendenz stark steigend.
Das ist eine wahre Flut an Indices, eine völlig unüberschaubare Fülle – und garantiert keine Hilfe für die Auswahl eines passenden ETFs für die eigene private Geldanlage. Denn zu jedem Index wird dann natürlich heutzutage immer auch ein ETF aufgelegt – oder gleich mehrere.
Warum gibt es immer neue Indices?
Das Phänomen der ständig wachsenden Zahl an Indices ist leicht erklärt: Nicht nur Unternehmen freuen sich über enorme Kapitalzuflüsse über die ETF-Fonds, sondern ganze Länder und Branchen. Für viele Unternehmen, aber auch für ganze Länder wie China stellt das ständig steigende ETF-Kapital einen gewaltigen Mittelzufluss dar. Ob man in einem Index aufgenommen ist oder nicht, macht im Kapitalfluss für ein Unternehmen nicht selten einen Unterschied von mehreren Millionen beim Kapitalzufluss aus.
Von daher haben Unternehmen natürlich hohes Interesse daran, in irgendeinem Index vertreten zu sein – das bedeutet am Ende viel Geld von den ETF-Anlegern. Das Bedürfnis, auch in irgendeinem ETF vertreten zu sein, löst sich für viele Unternehmen damit also. Wenn immer mehr neue Indices entstehen, steigt auch die Chance, in irgendeinem dann doch einmal vertreten zu sein.
Auf der anderen Seite stehen die Anbieter von ETFs. Sie brauchen neue Produkte, um neue Kunden anzulocken, die bei ihnen investieren. Die Gebühren für den einzelnen Kunden mögen zwar gering sein, in Summe beschert den ETF-Anbietern der Boom aber riesige Gewinne. Zahlreiches Kleinvieh macht hier auch eine sehr große Menge Mist.
Bei einem etablierten Index entscheidet über den Kundenzufluss bei vier oder fünf unterschiedlichen ETF-Anbietern aber höchstens der Zufall, das Glück und in geringem Umfang das eigene Marketing darüber, welcher Anbieter einen Kunden abbekommt. Die Performance aller klassischen passiv replizierenden Indexfonds ist ja völlig gleich – für den Kunden macht es also so gut wie keinen Unterschied, zu welchem Anbieter er geht.
In der letzten Zeit wird zwar der Kampf um die Kunden vermehrt mit Gebühren-Dumping ausgetragen, aber bei dem niedrigen Gebühren-Niveau, auf dem sich ETFs gewöhnlich bewegen, macht auch massives Dumping bei den Gebühren kaum einen wirklich merkbaren Unterschied aus. Und günstiger als kostenlos beim Broker kann ein ETF-Sparplan ohnehin kaum mehr sein, die Fondsgebühren fallen dann nicht mehr ins Gewicht, wenn sie von 0,5 % auf 0,3 % fallen. (Solche kostenlosen Sparpläne gibt es – benutzen Sie unseren Broker-Vergleichsrechner auf der Seite um herauszufinden, welche Broker kostenlose ETF-Sparpläne anbieten).
Die weitaus bessere Lösung liegt für ETF-Anbieter vielmehr darin, einfach einen neuen Index zu berechnen, den es zuvor noch nie gab – um mit diesem neuen Index und einem brandneuen ETF, die sich beide über die Rendite-Erwartungen hervorragend bewerben lassen, große Kundenpotenziale zu erzielen. Das macht wirtschaftlich und unternehmerisch am Ende mehr Sinn, als den 22. ETF auf den DAX aufzulegen und sich auf Niedriggebühren-Schlachten einzulassen, bei denen man als Fonds-Anbieter kaum mehr etwas verdient.
Das erklärt die unglaubliche Fülle neuer Indices und immer neuer ETFs in den letzten Jahren. Unterstützt wird dieser Trend auch durch die stark gestiegene Rechnerkapazität in den letzten Jahren. So lassen sich zur gleichen Zeit viel mehr Indices mit immer noch gleichem Ressourcen-Aufwand berechnen.
Vom Index Fonds zum Factor-Investing-Product
Bei der Zusammenstellung von Indices ist dann natürlich Kreativität gefragt: Welche Aktien zu welchem Thema bringt man in seinem “Themenindex” unter? Manchmal sind ETF-Anbieter bei den Themen dann schon allzu kreativ und mischen teilweise sehr undurchsichtige Aktienkombinationen in ihrem Index, um überhaupt ein “Thema” zu bekommen. Ein Erneuerbare-Energien-ETF ist ja noch einleuchtend – aber worum genau geht es bitte in einem Wasser-ETF? Und wie soll man als Anleger die Performance-Entwicklung abschätzen?
Hier tut sich ein hohes Risiko für Anleger auf, wenn völlig exotische Index-Kombinationen geschaffen werden. Da wird plötzlich Südkorea wieder zum “aufstrebenden Schwellenland” und in einem Welt-Index wird Japan mit 40 % gewichtet – obwohl es real nur rund 15 % zur Weltwirtschaftsleistung beiträgt.
Für Anleger heißt es bei solchen Indices also, genau hinzusehen und für sich selbst zu schauen, ob man zwischen den Aktien noch einen erkennbaren – und für sich selbst performancemäßigen – Zusammenhang erkennt. Bei einigen modernen Indexfonds haben da selbst ausgesuchte Finanzexperten schon massive Probleme, wenn es um die Abschätzung geht.
Weil ETF-Anbieter so etwas machen, um mit zahlreichen neuen Kunden Geld zu verdienen, sind solche ETFs natürlich auch deutlich teurer als die “Klassiker”, bei denen massive Gebührenschlachten toben. So mancher moderne und exotische Indexfonds kratzt da gebührenmäßig durchaus schon an der 1 % Schwelle – für Privatanleger ist hier ein ganz wesentlicher Vorteil von ETFs bereits deutlich geschmälert.
Die Spitze der Auswüchse führen heute Indices an, die beinahe schon klares Factor Investment betreiben: Unternehmen werden für den Index anhand bestimmter einzelner Faktoren ausgewählt und zusammengestellt. Bei klassischen Indices wird in der Regel nach der Marktkapitalisierung gewichtet – wenn man einzelne Faktoren, wie etwa den individuell berechneten Value eines Unternehmens ansetzt, verzerrt sich das Bild der Gewichtung unter Umständen bereits erheblich. Oft kommen aber sogar noch viel exotischere Faktoren als Bewertungs- und Auswahlkriterium zum Tragen.
Unser grundsätzlicher Ratschlag daher:
Wenn Ihnen die Methodik für die Auswahl der Aktien in einem Index nicht völlig einleuchtend erscheint, investieren Sie besser nicht in den zugehörigen ETF.
Achten Sie bei modernen Indices auch immer darauf, wie viele Titel darin überhaupt vertreten sind. Bei einer geringen Anzahl von Titeln, von denen einige sehr hoch gewichtet erscheinen, sollten Sie aus Risikogründen ebenfalls vom entsprechenden ETF Abstand nehmen. Umfassende Diversifizierung ist ein hoher Sicherheitsfaktor bei ETFs, das sollte man nicht leichtfertig aufgeben, zumal erst Recht nicht, wenn Auswahl und Gewichtung nicht einleuchtend sind.
Bei klar erkennbarem Factor Investing und bei vor allem faktorenbasierten Indices sollten Sie sich im Klaren darüber sein, dass Faktoren immer eine gewisse Zyklik haben und keinesfalls statisch sind. Auch das kann sich in bestimmten Zeiträumen eher negativ auf ihr Rendite-Ergebnis auswirken.
ETFs sind immer noch ein sehr gutes und empfehlenswertes Anlageprodukt gerade für Kleinanleger: bei der Auswahl der ETFs in die man investiert, muss man heute aber sehr viel genauer hinsehen und auch einige Überlegungen anstellen. Die Überflutung des Marktes mit immer neuen Indices und dazu passenden ETFs macht es nötig, als Anleger für sich hier die Spreu vom Weizen zu trennen.
Die Downsides von modernen ETFs - und eine freundliche Warnung,
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