Folge 82 – Wie wird ein Kreditzinssatz berechnet?

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Folge 82 – Wie wird ein Kreditzinssatz berechnet?

Dass Banken aktuell nicht das machen, wozu sie eigentlich da sind, nämlich Kredite zu vergeben, hört man beinahe täglich in den Medien – und durch die jüngste Leitzinssenkung der EZB hat sich das Problem nicht sonderlich verbessert.

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Der Leitzinssatz – jener Zinssatz zu dem sich Banken von der Zentralbank Geld leihen können – ist mittlerweile bei 0,50 %. Der DAX feiert Allzeithochs – der Leitzinssatz Allzeittiefs. Man könnte doch meinen, dass Banken angesichts dieser Umstände relativ gerne Kredite vergeben müssten, oder? Nun – so einfach ist die Schlussfolgerung nun auch nicht, wenn auch der Zusammenhang sicher nicht so weither geholt ist.

In diesem Artikel möchten wir uns aber mit einem anderen Thema beschäftigen: Wie wird ein Kreditzinssatz berechnet? Welche Faktoren beeinflussen den Zinssatz?

Wie wird ein Kreditzinssatz berechnet?

Da Zinssätze nichts anderes als Preise sind – der Preis für die Überlassung von Kapital für einen bestimmten Zeitraum – können diese auch mit einer Preiskalkulation berechnet werden. Diese könnte folgende Punkte enthalten:

Teil 1 – Refinanzierungskosten

Ein Händler orientiert sich bei der Preiskalkulation seiner Produkte primär am Einkaufswert – den muss er weiterverrechnen, sonst würde er (langfristig) einiges falsch machen. „Einkaufskosten“ einer Bank für Geld ist nun einmal der Leitzins.

Gut, der ist aktuell so niedrig wie noch nie und beträgt 0,50 %.

Teil 2 – Risikokosten

Die Zinsen eines Kredites müssen neben den Refinanzierungskosten aber natürlich auch den Kapitalverlust abdecken, den eine Bank durch einzelne Kreditausfälle erleidet.

Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, erscheint dieser als Asset in ihrer Bilanz. Wird der Kreditnehmer insolvent, muss die Bank den Kredit abschreiben.

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Diese Kosten müssen – blöd formuliert – auf die „braven“ Kreditnehmer abgewälzt werden. Mit deren Zinszahlungen müssen die Kapitalverluste der „bösen“ Kreditnehmer ausgeglichen werden.

Teil 3 – Betriebliche Kosten

Wenn eine Bank lediglich diese zwei Zinsteile verrechnet, so geht sie im langfristigen Durchschnitt komplett leer aus – sie kann ihre „Rechnungen“ an die EZB zahlen und den Kapitalverlust mit den übrig bleibenden Zinsen kompensieren.

Allerdings müssen auch noch alle Kosten der Bank (Personalkosten, Verwaltungsaufwendungen, Erhaltung des schönen Banktowers, ect) getragen werden.

Teil 4 – Kapitalkosten

Bislang hat die Bank aber noch nichts verdient, sondern lediglich Ihre Kosten gedeckt. Daher kommen auch noch Kosten für das investierte Kapital hinzu, also für das Geld der Aktionäre.

Das läuft allerdings bei Banken etwas komplizierter. Einfach gesagt, muss ein gewisser Anteil des Kredites mit Eigenkapital finanziert werden. Bei Staatsanleihen war dieser historisch betrachtet immer nahe null, bei Privatkrediten eher höher. Über den Daumen kann behauptet werden, dass sich der „Eigenkapitalhinterlegungsanteil“ nach dem Risiko des Kredites richtet.

Diese Eigenkapitalhinterlegung führt zu Opportunitätskosten. Anstatt damit einen Kredit zu vergeben, könnte die Bank mit dem Geld auch etwas anderes machen, z.B.: an der Börse zocken. Diese „entgangenen Gewinne“ stellen somit indirekte Kosten dar.

Teil 5 – Inflation

Zu dem schon errechneten Zinssatz aus den schon erwähnten vier Teilen, muss die Bank aber auch die Inflation miteinberechnen. Sonst würden zwar auch Gewinne lukriert werden – allerdings nur nominelle. Steigen Preise stark an, können die Eigentümer der Bank mit ihren nominellen Gewinnen allerdings keine reellen Preise bezahlen. Weiters steigen auch die Kosten der Bank z.B.: für das Personal Jahr für Jahr mit der Inflation an.

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Damit das nicht passiert, muss die Bank auch auf die Inflation achten – das müssen übrigens auch Sie, wir Ihnen bereits hier gezeigt haben.

Jetzt können diese 5 Kostenteile in einem tollen Excel-Sheet berechnet werden und als Ergebnis kommt am Ende des Tages steht ein Kreditzins.

Eines können wir Ihnen versichern – so läuft es ganz bestimmt nicht ab.

Wie wird nun der Kreditzinssatz wirklich berechnet?

Nun – unseren Ausführen müssen wohl falsch sein, oder? Wie ließe sich sonst ein Bau-Zins von aktuell ca. 2-3 % erklären?

Im Endeffekt ist der wichtigste Punkt einer Kreditzinsberechnung die Bonität des Kreditnehmers. So vermeidet die Bank unnötige Risiken, wenn sie Kunden mit schlechter Bonität erst überhaupt keinen Kredit gibt.

Ausgegangen wird in der Regel von einem Referenzzins, z.B.: dem 3-Monats-Euribor. So betrachtet, stimmen unsere Überlegungen nun doch wieder!

Sie denken, dass sich DieKleinanleger heute nicht einig sind? Das kommt war manchmal vor, allerdings ist es hier ganz einfach: Im EURIBOR – also einem Zinssatz, der bei Krediten zwischen Banken verrechnet wird – sind ja bereits die Refinanzierungskosten (Teil 1), die „Basis-Risikokosten“ (Teil 2) und mehr oder weniger auch die Inflation berücksichtigt (Teil 5) inkludiert.

Die betrieblichen Kosten (Teil 3) werden auch ganz nett an den Kunden abgewälzt: Kreditprovision, Kontoführungsspesen, Beratungsspesen. Diese Posten erhöhen den faktischen Kreditzins, werden aber in der Regel nicht als Zinsen erkannt.

Nun, eine Privatperson ist in der Regel nicht so solvent wie eine Bank – daher steigen bei einem Kredit an eine Nicht-Bank die Risikokosten noch ein wenig an, weshalb es einen bonitäts-abhängigen Aufschlag auf den Referenzzinssatz gibt.

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Sie sehen also, so kompliziert ist die Ermittlung eines Kreditzinssatzes gar nicht!

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