Ein kleiner Ausflug in die Börsenpsychologie

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Ein kleiner Ausflug in die Börsenpsychologie

Wer glaubt, an den Börsen gehe es immer streng logisch, exakt mathematisch und rational zu, der irrt gewaltig. Die wesentlichen Triebkräfte, die die Börse steuern, sind nicht logischer, sondern menschlicher Natur. Welche vielfältigen psychologischen Faktoren an der Börse und bei Marktentwicklungen und Kursen zum Tragen kommen können, wollen wir zum Verständnis deshalb in diesem Beitrag einmal etwas eingehender Beleuchten. Und uns ansehen, wie man selbst die typischen psychologischen Fallen des Anlegerdaseins wirkungsvoll vermeiden kann.

Börsenpsychologie als Wissenschaft

Das ist kein Scherz. So wie es eine “Arbeitspsychologie”, eine “Unternehmenspsychologie” und eine “Glückspsychologie” gibt, so ist auch die Börse als Ort menschlicher Aktion schon längst ein Gegenstand umfangreicher psychologischer Betrachtungen geworden. Es gibt dabei auch ausgewiesene Experten und langjährige Forscher im Bereich der Börsenpsychologie, die so manches, was auf den ersten Blick verwirrt, etwas erhellen können.

Und Börsenexperten, so rational sie sich nach außen hin auch immer geben mögen, wissen um die vielfältigen und stark wirkenden psychologischen Einflüsse in der Börsenwelt. Andre Kostolany, einer der berühmtesten Börsenexperte und Spekulanten des 20. Jahrhunderts, hat es sogar einmal recht deutlich auf den Punkt gebracht: “Die Börse besteht zu 90 Prozent aus Emotionen”. Auch der Wirtschaftswissenschaftler Robert Shiller, dem wir unter anderem das für Anleger wichtige Shiller-KGV verdanken, hat in einer wissenschaftlichen Arbeit schlüssig bewiesen, dass Verhaltenstheorien aus der Psychologie völlig gültig auch dafür herangezogen werden, um Vorgänge an der Börse und das Verhalten von Börsen zu erklären.

Das sollte immerhin verdeutlichen, wie wichtig es auch für Anleger ist, zumindest über die Grundzüge und Erkenntnisse der Börsenpsychologie Bescheid zu wissen. Nicht nur, um nicht selbst in eine unbewusste psychologische Falle zu tappen, sondern auch, um verstehen und abschätzen zu können, wohin eine Entwicklung höchstwahrscheinlich gehen wird – und warum.

Emotionen als Triebkraft

Grundsätzlich findet sich das gesamte Spektrum menschlicher Emotionen auch an der Börse wieder. Völlig rational wäre man nur, wenn man alle Gefühle komplett ausblenden könnte. So wie das im täglichen Leben aber kaum möglich ist (außer man trainiert Jahrzehnte lang die berühmte “Gleichmütigkeit” buddhistischer Mönche), so ist auch die Börse nicht emotionsfrei. Sie ist im Gegenteil wahrscheinlich sogar noch emotions- und triebgesteuerter als der durchschnittliche Mensch auf der Straße.

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Euphorie, insbesondere rationell betrachtet unangebrachte Über-Euphorie, ist ein nicht unwesentlicher Faktor für die Börse. Der unerschütterliche Glaube daran, dass die Kurse immer steigen werden (zumindest für eine Zeit lang) legt davon beredt Zeugnis ab und hat uns schon in die eine oder andere Blase geführt, ebenso wie das “Greater-Idiot-Syndrome”: Wer schon ein Papier für einen zu hohen Preis erworben hat, glaubt immer unerschütterlich, dass es ganz sicher einen noch größeren Idioten geben muss, der noch mehr Geld dafür bezahlen wird.

Das Gegengefühl zu Euphorie ist Angst. Einerseits die Angst, sein Vermögen zu verlieren, andererseits aber auch die vorsichtige, misstrauische Angst, dass eine offensichtlich positive Entwicklung doch nicht so positiv ist. Insbesondere dieses Spiel aus Vertrauen (auch übergroßem Vertrauen) und Misstrauen sind zwei sehr wesentliche Faktoren, die einen enormen Einfluss auf das Verhalten der Börsen haben. Steigt Angst hingegen auf ein Übermaß, wird sie zur Panik. Es kommt zur “Stampede”, wo Anleger in schierer Panik alle ihre Papiere sofort auf den Markt werfen. Dass so etwas natürlich auch unglaublichen Einfluss auf die Börse hat, braucht nicht extra erwähnt zu werden.

Gier ist – verständlicherweise – eine wesentliche Triebfeder an der Börse. Manche halten es sogar für die am stärksten wirkende Emotion an der Börse überhaupt, aber genau betrachtet stimmt das eigentlich nicht. Ängste sind von ihren Auswirkungen her viel deutlicher und wirksamer als die Gier von Anlegern. Auch das liegt in unserer menschlichen Natur begründet. Gier kann noch so groß sein, sie wird von Angst immer noch begrenzt. Ein Überlebensmechanismus.

Kognitive Verzerrungen

Unsere Wahrnehmung ist nie völlig rational. Man könnte sagen, wir sehen immer alles durch eine bestimmte Brille. Diese “Filterbrille” wird gebildet aus unseren Vorurteilen, unseren Ängsten und Zuschreibungen (Großkonzerne sind “böse” und arbeiten gegen das Interesse der Menschen) sowie aus unseren Erwartungen und Befürchtungen. Wir nehmen Informationen niemals neutral, sondern immer gefiltert wahr. So wie das für uns als Menschen gilt, so gilt das in gleichem Maß auch für die Börse.

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Welche Auswirkungen eine Nachricht hat, hängt weniger von der Nachricht selbst ab, sondern viel mehr davon, wie sie interpretiert wird. In einem ohnehin schon ängstlichen Markt ist eine möglicherweise negative Nachricht eine brutale schwarze Bombe, während sie in einem optimistischen Bullenmarkt möglicherweise mit einem Achselzucken vergnügt zur Kenntnis genommen wird. Die herrschende “Grundstimmung” an der Börse muss zur Bewertung von Börsenfaktoren also immer unbedingt mit berücksichtigt werden, denn sie bestimmt ganz wesentlich, welche Auswirkungen eine Nachricht tatsächlich hat.

Der Herdentrieb

Wir Menschen sind Herdentiere und genauso verhalten wir uns auch. Wir suchen immer ein Gruppe, die ähnliche Ansichten und Vorurteile hat, wie wir selbst. Und wir suchen für unsere eigenen Vorurteile oder Einschätzungen immer unbewusst nach Bestätigung und richten uns – oft auch unbewusst – nach der Masse. Genauso tun wir das an der Börse auch und das beeinflusst Börsenverhalten gewaltig. Nicht nur in Extremfällen, wie bei der eben schon erwähnten Stampede, sondern auch in ganz banaler Weise: Steigende Kurse schaffen immer ein zuversichtliches Gefühl, fallende Kurse schaffen immer Unsicherheit, selbst wenn das rational gerade jeglicher Grundlage entbehrt. Dem unwillkürlich entstehenden Handlungsimpuls können wir uns nur schwer entziehen, selbst wenn wir wollen. Es bleibt immer ein leicht ungutes Gefühl zurück, wenn wir nicht handeln. Und die vielzitierte Empfehlung “gegen den Strom zu schwimmen”, also gerade das Gegenteil von dem zu tun, was die anderen tun, ist auch nur eine Umkehrung des Handelsimpulses – der Impuls an sich bleibt weiterhin bestehen.

Ein typisches Beispiel für einen “außerordentlichen Börsenzyklus”, der abseits der sonst beobachtbaren Börsenzyklen  stattfindet, ist beispielsweise die sogenannte “Milchmädchen-Hausse”. Ein Trend ist so lange ein Trend, bis die Massenmedien darüber berichten und alle davon erfahren. Dann ist der Trend meist bereits tot. Wenn in der BILD-Zeitung steht, dieses oder jenes Papier ist Erfolg versprechend, dann kann man es bereits getrost vergessen – dann ist man eindeutig zu spät dran, wenn man es noch nicht hat.

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Handeln gegen die Überzeugungen

Die meisten Menschen würden wirtschaftlich nie so handeln, wie sie an der Börse handeln. Dort scheinen wir uns eigentlich alle genau gegensätzlich zu unseren eigentlichen Überzeugungen zu verhalten. Das gilt für den Einzelnen genauso wie für die Masse der Anleger. Wenn man also primär davon ausgeht, dass die Börse von völlig instinktgesteuertem, überängstlichem und überemotionalen Handeln bestimmt wird und dementsprechend die Entwicklung verfolgt, liegt man in vielen Fällen durchaus richtig.

Während Menschen im übrigen Leben fast immer langfristig denken, meist eine klare Strategie haben, nach der sie handeln und sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen, gilt an der Börse genau das Gegenteil. Das ist eine der wesentlichen Erkenntnisse der Börsentheorie. Einzige Therapie dagegen: Strikte Selbstbeobachtung und sich zur Rationalität zwingen, auch wenn es noch so schmerzt und Bauchschmerzen bereitet, rational zu handeln. Unser Reptiliengehirn ist einfach der schlechtere Ratgeber für Börsenentscheidungen. Besser wir benutzen den größeren, nicht instinktiv reagierenden Teil unseres Kopfes.

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